„The Länd“ - Multi-Channel-Marketing nach Lehrbuch oder zu viel des Guten?

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Knallgelbe Keyvisuals, ein kreativer Webauftritt und viel Diskussion in sozialen Medien sowie privatem Raum: Das Bundesland Baden-Württemberg definiert sich selbst neu als „The Länd“ und wirbt mit einer selbstironischen Branding-Kampagne primär um internationale Spitzenfachkräfte. Die Kampagne hat nicht nur in den sozialen Medien Wellen geschlagen – sie ist beispielsweise fast beiläufig bis ins TV zu Jan Böhmermann vorgedrungen.

 

 

Da unser ISM Fernstudium „Made in The Länd“ ist, sind auch wir nicht um die Marketingkampagne herum gekommen und haben unseren Professor:innen aus dem Master-Studiengang Digital Marketing Management Fragen rund um die Ziele und Wirksamkeit der "The Länd“-Kampagne gestellt.

Was findest Du aus Deiner Perspektive als Expert:in für Digital Marketing an der „The Länd“ Kampagne besonders gelungen?

PASCAL BRUNO: „The Länd“ ist als Kampagne durchaus professionell und umfassend gestaltet. Hier bedient man sich der Touchpoints, die vor allem jungen Zielgruppen heutzutage wichtig sind. Von einer Social Wall auf der Website, die Social Media Inhalte einbindet und damit die Community als Sprachrohr nutzt, über einen hochwertigen Imagefilm bis hin zu einer Vielzahl an Offline-Werbemaßnahmen, die die Kampagne auch in der reellen Welt erlebbar machen sollen.

ANKE HOFFMANN: Die Kampagne zeigt eindrucksvoll, welche kommunikative Kraft eine gut ausgesteuerte 360°-Kampagne entfalten kann. Auch die zeitliche Dramaturgie halte ich für sehr gelungen: Die Teaserphase, in der die Kampagne auch im öffentlichen Raum schon sehr präsent war, war sehr aufmerksamkeitsstark – ohne sofort aufzulösen, worum es geht. Und Aufmerksamkeit ist die notwendige Bedingung eines jeden Kampagnenerfolgs.

Ein wichtiger Teil der Kampagne ist nicht digital: Plakate, Anzeigen, ein mobiler Store, der auf die Reise geht. Multi-Channel-Marketing nach Lehrbuch? Oder zu viel des Guten?

PASCAL BRUNO: Die Strategie, Online-Inhalte mit Offline-Maßnahmen zu verknüpfen, ist in vielen Situationen zielführend. Um diese Verknüpfung sinnvoll zu gestalten, ist es zentral, sich an den Kampagnenzielen zu orientieren und hieraus geeignete Online- und Offline-Touchpoints abzuleiten. „The Länd“ setzt sich zum primären Ziel, internationale Fachkräfte und Investoren für das Land Baden-Württemberg zu begeistern. Offline-Touchpoints wie die Präsenz auf der Expo in Dubai erscheinen entsprechend schlüssig, um die internationale Kernzielgruppe an Fachkräften anzusprechen.

ANKE HOFFMANN: Digital ist kein Selbstzweck. Die Wahl der Kommunikationskanäle richtet sich danach, wo man die Zielgruppe am besten und wirksamsten erreichen kann. Die „The Länd“-Kampagne hat neben den internationalen Fachkräften sicherlich eine erweiterte Zielgruppe, nämlich die eigenen Bürgerinnen und Bürger des Landes Baden-Württemberg. Das gleiche gilt für hier ansässige Unternehmen. Daher finde ich es durchaus richtig und konsequent, die Kampagne auch in der realen, physischen Lebenswelt dieses Bundeslandes stattfinden zu lassen.

Die Kampagne soll über 20 Millionen Euro gekostet haben. Ist das Geld gut investiert?

PASCAL BRUNO: Um langfristig und vor allem auf internationaler Ebene Marketingziele zu erreichen, sind hohe Budgets grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Bei der Frage, ob das Geld für eine Kommunikationskampagne und den Aufbau einer Marke sinnvoll investiert ist, ist aber entscheidend, ob das Markennutzenversprechen letztlich auch eingelöst werden kann. Ansonsten erscheint eine Marke nicht authentisch.

ANKE HOFFMANN: Aus meiner Sicht ist das Markennutzenversprechen bei dieser Kampagne nicht ganz so klar herausgearbeitet, wie bei der Vorgängerkampagne. Das Risiko ist daher natürlich, dass die erzielte hohe Aufmerksamkeit verpufft. Die Kampagnenkosten selbst sind für einen öffentlichen Haushalt sicherlich ungewöhnlich, aber wenn man in einer bestimmten Liga mitspielen will, darf man nicht kleckern. Denn auch dann wäre die Gefahr einer „Verpuffung“ recht hoch. Als Vergleich: Auch Daimler hatte in 2020 Bruttowerbeausgaben von über 20 Mio. Euro. Ein einziger 30 Sekunden-Werbespot beim Super Bowl in den USA kostete 2021 im Durchschnitt umgerechnet ca. 5 Mio. Euro.

Die Kampagne ist „Meme-tauglich“. Es häufen sich Posts, die sich lustig machen über die Anzeigen und mit Farbkonzept und Gestaltungselementen spielen. Ist das eine Gefahr für die Wirkung der Kampagne?

PASCAL BRUNO: Marketingmanager wünschen sich heutzutage oft, dass ihre Kampagne „viral geht“. Dass Menschen über die Markenkommunikation reden und sich darüber austauschen, dass sie damit sogar helfen, eine Marke zu formen. Durch Soziale Medien müssen Markeninhaber damit klarkommen, dass ihnen ein Stück weit Kontrolle über die eigene Marke verloren geht. Genauso wie Menschen aus Begeisterung für eine Marke Online-Inhalte teilen, können sie auch zum Sharen animiert werden, weil sie die Werbemaßnahmen kritisieren. Hier zeigt sich eine Herausforderung der aktuellen Kampagnenphase von „The Länd“. Viele Menschen mögen die Kampagne kennen, aber viele kritisieren sie eben auch. Um hiermit richtig umzugehen, ist es entscheidend zu analysieren, wer aus welchem Grund Kritik äußert. Wenn man das weiß, kann und sollte man da gezielt gegensteuern.

ANKE HOFFMANN: Es wird zwar in Memes, Video-Parodien und Online-Foren über die Gestaltung und Rahmenbedingungen der Kampagne gesprochen, aber nicht über die Grund-Botschaft. Information und Aufklärung, wieso Investitionen in die Kommunikation der Attraktivität von Baden-Württemberg als Wirtschaftsstandort wichtig und richtig sind, könnten dabei helfen, Reaktanzen abzubauen und die Diskussion im Netz auf positive Aspekte der Kampagne lenken. Selbstironie als Stilmittel in der Werbung einzusetzen, ist darüber hinaus gar nicht so einfach, zumal die Selbstironie in diesem Fall auch noch alle Bürger:innen des Landes Baden-Württemberg mit einbezieht. Das polarisiert und kann natürlich zu Abwehrreaktionen führen. In gewisser Weise fehlt es an der „internen Kommunikation“, um in Analogie zur Unternehmenskommunikation zu sprechen. Um die interne Akzeptanz zu erhöhen, hätten die Bürger:innen sicherlich anders abgeholt werden müssen als die eigentliche Zielgruppe der Kampagne.

Die Kampagne löst die Vorgänger-Kampagne „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ ab. Ist so ein Neustart aus Branding-Perspektive sinnvoll?

ANKE HOFFMANN: Die Markenbotschaft ist die gleiche, die kreative Klammer der beiden Kampagnen besteht in der Selbstironie bzw. dem Blick auf das eigene Bundesland mit einem Augenzwinkern. Die kreative Umsetzung wurde in die neue Zeit geholt und auf eine jüngere, auch internationale Zielgruppe erweitert.

PASCAL BRUNO: Konsistenz, Kontinuität und Relevanz sind für den Aufbau und die Pflege einer Marke zentral. Konsistenz bedeutet, dass eine Marke sich gegenüber der Zielgruppe so verhält, dass dies im Einklang mit dem Markennutzenversprechen steht. Was die Zielgruppe wahrnimmt, muss natürlich relevant für diese sein und sie ansprechen. Letztlich ist auch wichtig, dass die Marke im Zeitablauf kontinuierlich wiedererkennbar bleibt. Sowohl mit der Vorgänger-Kampagne, als auch mit „The Länd“ will sich Baden-Württemberg als das „Land der Talente und Patente, ein Land, das stark ist im Wissen“ präsentieren. Beide Kampagnen sollten Selbstbewusstsein ausstrahlen. Dementsprechend findet sich in diesen zentralen Markenwerten durchaus eine Konsistenz. Der Unterschied zwischen den beiden Kampagnen liegt insbesondere in der Zielgruppe. „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ war für eine deutsche Zielgruppe nachvollziehbar, im Ausland jedoch eher weniger verständlich. Vor dem Hintergrund, dass in Zukunft insbesondere der Gewinn ausländischer Spitzenkräfte fokussiert werden soll, erscheint eine Weiterentwicklung der kommunikativen Vermittlung der Markeninhalte in puncto Internationalität durchaus sinnvoll.

Was sind die Unterschiede zwischen dem Marketing für ein Produkt oder eine Dienstleistung und dem Marketing für ein Bundesland?

PASCAL BRUNO: Beim Begriff Marke fallen vielen Menschen zunächst bekannte Produktmarken wie Apple oder Marken für Dienstleistungen wie Lufthansa ein. Aber auch Personen, Regionen, Länder und Bundesländer können Marken sein. Marken sind Vorstellungsbilder in den Köpfen von Menschen, die im Idealfall etwas als einzigartig herausstellen sollen. Die Marke eines (Bundes-)Landes hat großen Einfluss auf die Wirtschaftskraft. Im Beispiel von „The Länd“ ist entscheidend, wo Unternehmen investieren und wo qualifizierte Fachkräfte arbeiten möchten. Dass für solche Marken zentral ist, welche Vorstellungen die Zielgruppen mit einem Ort verbinden, sieht man an Gegenden wie dem Silicon Valley als attraktiven Standort für Technologieunternehmen.

ANKE HOFFMANN: Man kann ein Bundesland durchaus im weiteren Sinne als öffentliches Gut ansehen. Faktisch betrifft es die persönliche Lebenswelt aller Bürger. Marketing für ein Bundesland geht daher in gewisser Weise alle Menschen an, die dort leben oder ihre Heimat haben. Nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch das Involvement der Bürger sind daher sehr hoch. Eine solche Kampagne trifft auch im Namen bzw. für jeden Bürger eine Aussage, so bereits geschehen mit „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Entsprechend hoch ist das Potential für Emotionalisierung, aber auch für Polarisierung. Identifikation mit oder Ablehnung der Markenbotschaft entscheiden darüber, ob es gelingt, die Bürger selbst zu positiven Multiplikatoren und Markenbotschaftern zu machen. Das muss ein Ziel sein.

Wie misst man den Erfolg einer solchen Kampagne?

PASCAL BRUNO: Wie man den Erfolg misst, hängt davon ab, welche Ziele man sich im Vorhinein für die Kampagne gesetzt hat. Auf Kampagnen-KPIs zu blicken und z.B. Likes und Shares auf Social Media zu messen, kann bei der Ermittlung der erzielten Aufmerksamkeit der Kampagne helfen. Letztlich ist das Ziel, Fachkräfte und Investoren für den Standort Baden-Württemberg zu begeistern. Dies ist nur mittel- bis langfristig messbar und hängt zudem von einer Vielzahl weiterer externer Faktoren ab.

ANKE HOFFMANN: Mittels Befragungen kann man beispielsweise vor und nach der Kampagne das Image des Landes Baden-Württemberg bei der relevanten Zielgruppe messen. So lässt sich anhand eines Vergleiches ermitteln, was sich in relevanten Imagedimensionen (z.B. Innovation) verändert hat. Aber in der Tat ist der messbare Erfolg hier von so vielen weiteren Einflussfaktoren abhängig, dass man kaum mit Instrumenten der klassischen Werbeerfolgskontrolle ansetzen kann, die auf ceteris paribus-Bedingungen angewiesen ist. Marketingverantwortliche können mit dieser Tatsache aber sicherlich besser umgehen als die Kolleg:innen aus dem Controlling.

 

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Über die Autor:innen

Prof. Dr. Pascal Bruno und Prof. Dr. Anke Hoffmann sind die Studiengangsleitung für unser Master-Fernstudium in Digital Marketing Management.

Pascal Bruno ist Professor für Digitales Marketing und Markenmanagement am ISM Campus in Frank-furt. Er erhielt sein Diplom und seinen Doktortitel in Marketing und Markenmanagement an der Uni-versität zu Köln. Vor seiner Professur übernahm er verschiedene Marketing-Positionen bei Opel, wo er in der Marketing-Kommunikation und Markenstrategie tätig war. Ferner war Prof. Dr. Pascal Bruno als International Marketing Manager im New Business Development bei Douglas tätig.

Anke Hoffmann ist Professorin für Digital Marketing am ISM Campus in Stuttgart und Professorin für Retail Management und CRM an der Technischen Hochschule Deggendorf. Sie hat an der Universität Münster im Fachgebiet Marketing promoviert. Vor ihrer Tätigkeit an der ISM war Prof. Dr. Anke Hoff-mann u.a. Director Strategisches Marketing & CRM bei Breuninger sowie Director Business Develop-ment bei mytheresa.com. Sie arbeitet außerdem als Unternehmensberaterin und Business Coach

 

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Marcella Brockerhoff

Studienberatung

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